In der Schweiz leben Menschen mit einem hohen Arbeitsethos. Nach der wohlverdienten Pensionierung wollen viele den Ruhestand geniessen. Wenn da oftmals nur nicht die Vorsorgelücke wäre.
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42.7 Jahre – so lange sind Berufstätige in der Schweiz durchschnittlich erwerbstätig. Nebenbei: In Europa arbeiten nur die Isländerinnen und Isländer länger (46.3 Jahre). Nach Jahren der Berufstätigkeit und fleissigem Einzahlen in die AHV und Pensionskasse freuen sich vermutlich die meisten auf die Pensionierung. Einer finanziell sorgenfreien Pension sollte eigentlich nichts im Wege stehen. Leider macht vielen Pensionierten die Vorsorgelücke einen Strich durch die Rechnung.
Eine Faustregel besagt: Um den Lebensstandard nach der Pensionierung halten zu können, sollte die ausbezahlte Altersrente rund 80 bis 90 Prozent des letzten Einkommens ausmachen. Sind die Altersleistungen aus der AHV und der Pensionskasse kleiner, kann eine sogenannte «Vorsorgelücke» entstehen. Sie beschreibt die Differenz zwischen den ausbezahlten Altersleistungen und dem tatsächlich benötigten Geld fürs tägliche Leben.
Was ist eine Vorsorgelücke?
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Altersleistungen aus der AHV und der Pensionskasse dereinst nicht zur Deckung der Lebenshaltungskosten reichen. In diesem Fall besteht eine «Vorsorgelücke».
Eine Vorsorgelücke beschreibt daher die Differenz zwischen den ausbezahlten Altersleistungen aus der 1. (AHV) und 2. (Pensionskasse) Säule und dem tatsächlich für den Lebensunterhalt benötigten Bedarf.
Die Vorsorgelücke ist eher die Regel als die Ausnahme
Entscheidend für die Höhe der Altersrente aus der AHV sind die geleisteten Beitragsjahre. Für die maximalen Leistungen aus der AHV braucht es neben den lückenlosen Einzahlungen auch ein durchschnittliches Einkommen von 88'200 Franken. Das Schweizer Vorsorgesystem rechnet aktuell für eine lückenlose Beitragsdauer für Frauen mit 43 Beitragsjahren und für Männer mit 44 (Änderung ab Einführung Reform AHV 21 neues Rentenalter für Frauen 65 Jahre). Jedes fehlende Beitragsjahr führt zu einer lebenslänglichen Kürzung der Rente. Bei Frauen um 1/43, bei Männern um 1/44. Was nach wenig klingt, kann rasch zu einer beträchtlichen Lücke in der Altersvorsorge führen. Die Leistungen aus der Pensionskasse sind abhängig von der Einzahldauer und den geleisteten Sparbeiträgen. Jedoch ist nicht jeder Erwerbstätige automatisch in einer Pensionskasse versichert. Personen mit geringem Einkommen – unter 22'050 Franken – haben in der Regel keinen Pensionskassenanschluss und somit auch keine Leistungen aus der zweiten Säule.
Hier die wichtigsten Ursachen, die zu einer Vorsorgelücke führen können:
- Fehlende Beitragsjahre: Wer beispielsweise wegen Kinderbetreuung, einem Studium, einer längeren Reise, einem privaten oder beruflichen Auslandsaufenthalt die Beitragszahlungen nicht regelmässig leistet, handelt sich eine Vorsorgelücke ein.
- Hohes Einkommen: Je höher der Lohn, desto kleiner ist im Verhältnis zum bisherigen Einkommen die Rente aus der AHV und der Pensionskasse. Besonders bei höherem Einkommen bzw. für gutverdienende Angestellte können weitere Möglichkeiten wie zum Beispiel optimierte Kadervorsorgepläne helfen, höhere Einzahlungen in die Pensionskasse zu tätigen und so die Vorsorgelücke zu reduzieren bzw. zu schliessen.
- Teilzeitarbeit: Wer in einem Teilzeitpensum arbeitet, zahlt weniger in die Pensionskasse und hat somit weniger Kapital bzw. Rente im Alter. Auch die AHV-Rente wird wahrscheinlich durch das tiefere durchschnittliche Einkommen tiefer ausfallen als bei Vollzeitarbeit.
- Scheidung: Die während der Ehe einbezahlten Vorsorgebeiträge (AHV, Pensionskasse und 3. Säule) werden grundsätzlich gleichmässig auf beide Partner aufgeteilt.
- Frühpensionierung: Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmende zahlen weniger lange Geld ein, was die Jahresrente entsprechend kürzt und zudem weniger Zinsen und Zinseszinsen abwirft.
- Senkung des Umwandlungssatzes: Mit diesem Satz wird die Altersrente in Prozenten des angesparten Pensionskassen-Guthabens berechnet – sinkt er, was zunehmend passiert, wird weniger Rente ausbezahlt.
So berechnen Sie Ihre Altersrente
Die gesetzliche Altersrente setzt sich aus den Leistungen der AHV und der Pensionskasse zusammen. Sind beide Beträge bekannt, lässt sich die zu erwartende Jahresrente berechnen. Die kantonale Ausgleichskasse stellt auf Wunsch eine Berechnung der zu erwartenden AHV-Rente aus. Die Altersrente aus der Pensionskasse ist auf dem persönlichen Pensionskassenausweis ersichtlich.
Die Vorsorgelücke frühzeitig erkennen
Das Ziel der ersten (AHV) und der zweiten Säule (Pensionskasse) des Schweizer Vorsorgesystems ist es, im Schnitt 60 bis 70 Prozent des letzten Einkommens abzudecken. Die restlichen 20 bis 30 Prozent müssen durch die private Vorsorge sichergestellt werden. So erreichen Personen die 80 bis 90 Prozent des früheren Einkommens und können dadurch den Lebensstandard halten.
Darum gilt: Je früher Personen mit dem Aufbau ihrer Altersvorsorge beginnen, desto weniger müssen sie jährlich zur Seite legen. Eine vorausschauende Planung der Altersvorsorge legt den Grundstein für die Freiheit, mit einer ausreichenden Rente oder vielleicht schon vor dem Erreichen des ordentlichen Pensionsalters in Pension zu gehen.
Vorsorgelücken berechnen und schliessen: So funktioniert's
Wichtig ist, dass die Lücke frühzeitig erkannt und berechnet wird, denn es bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, eine Vorsorgelücke zu schliessen. Bewährt ist die Einzahlung in die Säule 3a sowie der freiwillige Einkauf in die Pensionskasse. Beide Formen sind steuerbegünstigt. Zusätzlich können Sparpläne und Wertschriften eine ideale Ergänzung der individuellen Vorsorge darstellen. Dadurch können die Altersleistungen aufgebessert werden.
Das Wichtigste im Leben aller vorausschauenden Arbeitnehmenden ist die private Vorsorge – also die dritte Säule. Die gebundene Säule 3a ist eine solide Basis im Vorsorgesparen. Der Staat fördert die Einzahlungen in die Säule 3a. Der Maximalbetrag von 7'056 Franken (Betrag für 2024) ist für Personen im Angestelltenverhältnis mit einer Pensionskasse steuerlich abziehbar. Das einbezahlte Geld bleibt bis zur Pensionierung gebunden und kann nur in Ausnahmefällen – für die Selbstständigkeit oder den Erwerb von Wohneigentum zur Eigennutzung – ausgelöst werden.
Für die Altersvorsorge in Wertschriften investieren
Im heutigen Tief- oder sogar Negativzinsumfeld werfen die Säule 3a-Kontolösungen kaum mehr Erträge ab. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, unter Berücksichtigung des Anlagehorizonts, das Ersparte in Wertschriften anzulegen und dadurch höhere Renditen zu erwirtschaften. Dabei kann bereits mit kleinen Beträgen Grosses bewirkt werden.
Mit der freien Vorsorge, der sogenannten Säule 3b (zum Beispiel Sparpläne und Wertschriften), entscheidet man selbst, wie man darüber hinaus noch individuell vorsorgen will. Der Vorteil ist, dass dieses «freie Sparen» nicht an eine Pensionierung gebunden ist. Ein- und Auszahlungen können jederzeit vorgenommen werden.
Es empfiehlt sich, die persönliche Altersvorsorge anzugehen, bevor es zu spät ist. Je nach Lebenssituation sind die Möglichkeiten unterschiedlich und sollten deshalb gut geplant sein. So steht dem Geniessen des Ruhestands nichts mehr im Weg.
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FAQ: Häufige Fragen zur Vorsorgelücke
Verschiedene Faktoren wie der angestrebte Lebensstandard, die Lebenserwartung, die gesetzlichen Rentenansprüche, unvorhergesehene oder steigende Gesundheitskosten, Inflationsentwicklung und weitere Faktoren können die Höhe der Vorsorgelücke genauso beeinflussen, wie die folgenden:
- Berufsbiografie: Fehlende Beitragsjahre durch Phasen der Arbeitslosigkeit, Teilzeitarbeit sowie familiäre Auszeiten für zum Beispiel Kinderbetreuung.
- Kapitalmarktentwicklung: Pensionskassen legen die Vorsorgegelder an, so dass das «Geld» für sie arbeitet. Je nach Entwicklung von Kapitalanlagen wie Aktien, Anleihen, usw. beeinflussen die steigenden oder eben auch sinkenden Kurse den Wert des angesparten Kapitals und somit das verfügbare Einkommen im Ruhestand.
- Deckungsgrad der Pensionskasse: Vorsicht ist geboten, wenn der Deckungsgrad der Pensionskasse unter 100 Prozent liegt. Dieser Wert ist ein Indikator dafür, dass das Vermögen der Pensionskasse nicht ausreicht, um zukünftige Rentenverpflichtungen vollständig abzudecken. Bei einer Unterdeckung könnte die Pensionskasse gezwungen sein, sämtliche Sparguthaben im Falle einer Sanierung um den Betrag der Unterdeckung zu kürzen. Auch freiwillig einbezahlte Einlagen wären davon betroffen.
- Fehlende private Vorsorge: Mit dem Sparen in das Säule 3a Konto oder 3b kann nicht nur die Vorsorgelücke geschlossen werden und im besten Fall auch noch Steuern gespart, sondern auch die Renditechancen der Finanzmärkte genutzt, wenn das 3a-Kontoguthaben in Wertschriften angelegt wird. Entsprechend fehlt diese Summe im Rentenalter, wenn nicht bereits in jungen Jahren angespart.
- Vorbezug des Vorsorgeguthabens: Wer Kapital für Wohneigentum aus der Pensionskasse bezieht, erhöht seine Vorsorgelücke. Ein Einkauf in die Pensionskasse ist dann nur noch möglich, wenn der vorgezogene Betrag zurückbezahlt wurde.
- Scheidung: Auch die Gütertrennung bei einer Scheidung kann negativen Einfluss auf das Vorsorgeguthaben haben, wenn das während der Ehe angesparte Guthaben bei einer Scheidung aufgeteilt wird, sofern hier kein Ehevertrag aufgesetzt wurde.
- Frühpensionierung: Wie oben bereits erwähnt zahlen Arbeitgebende wie auch Arbeitnehmende weniger lange Geld in die Altersvorsorge ein. Die Jahresrente wird verkürzt und der Frühpensionierte profitiert weniger von den Zinsen wie auch Zinseszinsen.
Sie haben mehrere Möglichkeiten, Ihre Vorsorgelücke zu schliessen. Zum einen können Sie in die Pensionskasse Einzahlungen tätigen. Sprechen Sie hier am besten direkt mit der Pensionskasse Ihrer Arbeitgeberin/Ihres Arbeitgebers. Oder aber Sie sparen privat. Bei der privaten Vorsorge empfehlen wir Ihnen in die 3. Säule einzuzahlen, da Sie hier nicht nur von Steuerersparnissen profitieren, sondern auch ihr 3a-Kontoguthaben in Wertschriften anlegen können. Als ein weiteres Produkt empfehlen wir Ihnen auch den TKB Zielsparplan, welchen Sie nach Ihren individuellen Bedürfnissen und Ihrem Anlagehorizont bestimmen können.
Die Vorsorgesituation sollte alle paar Jahre wieder überprüft werden, um die Frage «Befinde ich mich noch auf Kurs, oder muss das Ganze nochmals angeschaut werden?» zu beantworten. Bei Veränderungen der Lebenssituation (Jobwechsel, Wechsel der Pensionskasse, Geburt, Scheidung, Trennung, Arbeitslosigkeit, etc.) empfehlen wir dringend die Vorsorgesituation wieder anzuschauen.
Roman Debrunner, Senior Finanzplaner, stand dem Redaktionsteam bei diesem Artikel mit seiner Fachexpertise unterstützend zur Seite. Roman ist 44 Jahre alt, im Thurgau aufgewachsen, verheiratet und lebt in der Nähe von Frauenfeld. Er ist schon seit 5 Jahren bei der Thurgauer Kantonalbank und seit über 22 Jahren in der Finanzdienstleistungsbranche tätig. Roman berät sowohl Privat- wie auch Geschäftskunden in Finanz- und Vorsorgethemen. Er erstellt ihnen persönliche Pensions- und Finanzplanungen, unterstützt die TKB Kundenberaterinnen und TKB Kundenberater bei Pensions- und Vorsorgefragen und gibt sein Expertenwissen bei seiner Referententätigkeit an Fachveranstaltungen und Schulungen weiter. Seine Freizeit verbringt er gerne mit seiner Familie, macht Fitness und ist Sport interessiert.