Das Leben in den eigenen vier Wänden geniessen – ein Traum, den viele (frisch) verheiratete Ehepaare hegen. Bei einer Trennung kann aus diesem Traum aber schnell ein Albtraum werden – vor allem dann, wenn wichtige Fragen um die gemeinsame Immobilie nicht geklärt sind.
Im Thurgau werden jährlich knapp 1'400 Hochzeiten gefeiert. Der Kauf eines gemeinsamen Hauses oder einer Wohnung krönt das Glück. Doch: Nicht jede Liebe hält ewig. Im Thurgau beispielsweise enden drei von fünf Ehen mit einer Scheidung.
Treffen die Eheleute die Entscheidung, getrennte Wege zu gehen, haben sie viele Fragen zu klären.
- Was passiert mit dem gemeinsamen Haus oder der Wohnung?
- Wem gehört die Immobilie nach der Scheidung?
- Wer muss ausziehen und wer übernimmt die Hypothek als Alleineigentümerin/-eigentümer?
- Wie sieht die neue Situation für beide Parteien finanziell aus?
Besonders bei Finanz- und Vermögensthemen kommt es oftmals zu unterschiedlichen Auffassungen und leider auch zu Streitigkeiten.
Zuteilung der Vermögenswerte bei Scheidung
Bei einer Scheidung teilen die Ehegatten das Vermögen nach dem gewählten Güterstand auf. Der Güterstand entscheidet über die Aufteilung des Vermögens. In der Schweiz gibt es drei Güterstände. Der gesetzliche und somit häufigste Güterstand ist die Errungenschaftsbeteiligung. Dieser gilt automatisch, wenn keine andere Regelung mit einem Ehevertrag vereinbart wurde.
- Errungenschaftsbeteiligung: Das Vermögen beider Ehepartner wird in Eigengut und Errungenschaft aufgeteilt. Das Eigengut beinhaltet vereinfacht beschrieben: Alles, was sie oder er vor der Hochzeit besessen oder während der Ehe in Form von Schenkungen und Erbschaften erhalten hat. Zur Errungenschaft zählt grösstenteils das Vermögen, welches nach der Eheschliessung erwirtschaftet wurde. Dieses wird nach der Scheidung halbiert, sofern nichts anderes geregelt wurde.
- Gütertrennung: Jede Ehepartnerin/jeder Ehepartner ist und bleibt Eigentümerin/Eigentümer ihres/seines Vermögens – unabhängig davon, ob es vor, während oder nach der Ehe angespart wurde.
- Gütergemeinschaft: Das Einkommen und Vermögen beider Ehepartner wird als Gesamteigentum angesehen. Es gehört beiden Eheleuten. In diesem Fall können sie nur gemeinsam darüber verfügen, ausser bei Dingen des persönlichen Gebrauchs wie zum Beispiel Schmuck, Uhren oder Kleider.
Eigentumsverhältnisse von Wohneigentum
Es ist wichtig zu wissen, aus welchem «Vermögenstopf» das Wohneigentum gekauft wurde. Deshalb sind die Eigentumsverhältnisse der zweite wichtige Faktor bei der Vermögensverteilung. Das während der Ehe gekaufte Wohneigentum zählt in der Regel zur Errungenschaft, wenn kein Ehevertrag besteht. Es kann sinnvoll sein, die Eigentumsverhältnisse, basierend auf den eingebrachten Mitteln, zwischen den Partnern zu definieren und auch entsprechend im Grundbuch festzuhalten. Das Gesetz sieht drei mögliche Eigentumsformen vor:
- Alleineigentum: Die Immobilie gehört einem Ehepartner allein.
- Gesamteigentum: Das Haus oder die Wohnung gehört beiden Ehepartnern. Beide sind im Grundbuch eingetragen und können nur gemeinsam darüber verfügen – also ein gemeinsames Eigentum.
- Miteigentum: Hierbei handelt es sich um die meistverbreitete Eigentumsform. Im Grundbuch sind beide Partner eingetragen – jedoch mit ihrem jeweiligen Anteil. Die Miteigentümerin oder der Miteigentümer kann über ihren/seinen eigenen Anteil selbstständig verfügen.
Wer darf bei einer Trennung zu Hause bleiben?
Auch wenn der Güterstand und die Eigentumsverhältnisse geregelt sind, ist noch nicht geklärt, wer denn nun die Immobilie bei einer Scheidung oder Trennung bekommt und wie die Vermögenswerte aufgeteilt werden. Die folgenden Fragen gilt es weiter zu klären:
- Ist es einem Partner überhaupt möglich, das Haus oder die Wohnung allein zu behalten?
- Wie sieht es mit den finanziellen Mitteln bzw. der Tragbarkeit aus?
- Wie können Ausgleichszahlungen finanziert werden?
Unser Tipp
Suchen Sie frühzeitig das Gespräch mit der finanzierenden Bank und prüfen Sie die Möglichkeit der Liegenschaftenübernahme.
Kommt es zu Streitigkeiten, entscheidet das Gericht, wer in der ehelichen Wohnung bzw. im Haus wohnen darf. Bei richterlichen Erwägungen, also wenn ein Richter oder eine Richterin die Angelegenheit prüft, spielen nicht nur die beiden oben genannten Faktoren (Güterstand und Eigentumsverhältnisse) eine Rolle. Auch mögliche Regelung der Kinderbetreuung, die Gesundheit oder das Alter der Partner können den Entscheid des Gerichtes beeinflussen.
Bei Miteigentum sprechen Gerichte die Immobiliennutzung meistens jener Ex-Partnerin oder jenem Ex-Partner zu, bei der oder dem die Kinder leben. Wenn die auszuziehende Ehegattin oder der auszuziehende Ehegatte als Eigentümerin oder Eigentümer eingetragen ist, kann sie oder er von jener Partnerin oder jenem Partner, die oder der in der Immobilie bleibt, eine monatliche Ausgleichszahlung verlangen.
Übertragen oder auflösen: Wie weiter mit der gemeinsamen Hypothek?
Hier nochmals Zahlen aus unserem Kanton: Etwa die Hälfte aller Scheidungen erfolgt nach 15 und mehr Ehejahren. Die Hypothek ist zu diesem Zeitpunkt meistens noch nicht abbezahlt. Bei einer gemeinsamen Hypothek haften beide Partner.
Scheidung heisst unter anderem, dass man nicht mehr mit dem Partner unter einem Dach leben will. Bei der Führung von zwei Haushalten steigen dann aber auch die individuellen Kosten. Daher müssen die Ehegatten prüfen, ob die Immobilie von dem einen oder dem anderen Ehegatten allein finanziert werden kann. Ist dies nicht der Fall, bieten sich drei mögliche Lösungen an:
- Keine Änderung: Die Hypothek bleibt auf beiden Partnern (Solidarhaftung) und die Eigentumsverhältnisse ändern sich nicht. Meist wird im Scheidungsurteil eine Frist bis zum Verkauf oder zu einer Übertragung festgehalten.
- Verkauf mit Hypothekenübertragung an Dritte: Wird die Immobilie verkauft, ist es empfehlenswert, dass die Hypothek dem neuen Käufer, der neuen Käuferin übertragen wird und unter den gleichen Konditionen weiterläuft.
- Verkauf mit Auflösung der Hypothek: Die Hypothek wird vorzeitig aufgelöst und die Immobilie verkauft. Die Hypothekarnehmenden müssen dadurch bei Festhypotheken die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank zahlen.
Vorzeitige Planung lohnt sich
Es mag schwerfallen, bereits zu Beginn oder während den schönen gemeinsamen Momenten in einer Ehe an mögliche negative Szenarien zu denken. Es lohnt sich jedoch allemal, darüber zu sprechen: Die Eigentumsverhältnisse einer Immobilie sollten bereits vor dem Kauf geklärt werden. Wichtig ist auch, diese im Grundbuch einzutragen – idealerweise basierend auf den jeweiligen Anteilen der Finanzierung. Gehört die Liegenschaft beiden Parteien, ist es empfehlenswert, die Verhältnisse der finanziellen Beteiligung im Ehevertrag festzuhalten.
Simone Ramirez Rojas, Senior Erbschaftsberaterin, stand dem Redaktionsteam bei diesem Artikel mit ihrer Fachexpertise unterstützend zur Seite. Simone ist 35 Jahre alt, in Arbon aufgewachsen, verheiratet und lebt in Muolen. Die Inhaberin des Thurgauer Notarenpatentes und Finanzplanerin mit eidg. Fachausweis ist schon seit über 11 Jahren bei der Thurgauer Kantonalbank und führt Beratungen im Ehegüter- und Erbrecht sowie bei Erbvorbezügen durch, erstellt Ehe- und Erbverträge sowie Vorsorgeaufträge und Erbteilungsverträge. Sie unterstützt die TKB-Kundenberaterinnen und TKB-Kundenberater bei Erbschaftsfragen und referiert bei Fachveranstaltungen und Schulungen. In ihrer Freizeit verwöhnt sie gerne ihre Tochter mit leckeren Bäckereien, verbringt Zeit mit ihrer Familie und Freunden, powert sich im Zumba aus und plant und entdeckt neue Feriendestinationen.