«Flexibilität ist entscheidend»

Januar 2025 | Trotz konjunktureller Abkühlung und globaler Unsicherheiten blickt die Thurgauer Wirtschaft zuversichtlich in die Zukunft. Remo Lobsiger, Leiter des Bereichs Geschäftskunden der TKB, spricht darüber, wie Unternehmen in unsicheren Zeiten agieren und warum die Schweiz nicht in Selbstzufriedenheit verharren sollte.

Remo Lobsiger, die Thurgauer Wirtschaft hat sich im vergangenen Jahr abgekühlt. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Man muss zwischen Binnenmarkt und Exportgeschäft unterscheiden. Sowohl im Bau- als auch im Dienstleistungssektor läuft es gut. Hier verfügen viele Unternehmen über gut gefüllte Auftragsbücher. Die exportorientierten Firmen allerdings blicken tatsächlich auf ein schwieriges Jahr zurück. Hauptgrund ist die Krise in Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner der Ostschweiz. Das dürfte auch im laufenden Jahr anspruchsvoll bleiben.

«Unternehmerinnen und Unternehmer zeichnen sich durch eine positive Grundeinstellung aus.»
Remo Lobsiger, Leiter Bereich Geschäftskunden

Der Grossteil der Thurgauer Unternehmen blickt zuversichtlich in die Zukunft. Ist das Zweckoptimismus oder gibt es tatsächlich Anzeichen für einen Aufschwung?

Unternehmerinnen und Unternehmer zeichnen sich durch eine positive Grundeinstellung aus. Die Lage ist aber zweifellos herausfordernd. In Deutschland herrscht Unsicherheit, in den USA droht zunehmender Protektionismus und hierzulande stehen wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen an, wie beispielsweise die künftigen Handelsbeziehungen mit der EU und anderen Staaten. Aber es gibt durchaus auch positive Signale, etwa im Immobilienmarkt, wo ein Nachholbedarf besteht.

Wie agieren die Thurgauer Unternehmen in solch unsicheren Zeiten?

Flexibilität ist das Schlüsselwort. Aufträge werden wieder wesentlich kurzfristiger vergeben. Unternehmen, die in der Lage sind, schnell zu agieren, haben einen Vorteil. Grundvoraussetzung dafür sind die essenziellen Dinge: Eine starke Produktpipeline sicherzustellen, enge Kundenbeziehungen zu pflegen, die Kosten im Griff zu haben und über eine solide Liquidität zu verfügen. Wer diese Basis gelegt hat, der kann Chancen, die sich auch in unsicheren Zeiten ergeben, besser nutzen.

Wie gelingt dies?

Innovationen und effiziente Produktionsabläufe sind entscheidend, insbesondere in herausfordernden Branchen wie beispielsweise der Automobilzuliefererindustrie. Die Thurgauer Unternehmen haben immer wieder bewiesen, dass sie anpassungsfähig sind. Als grosse Herausforderung sehe ich die Rahmenbedingungen.

«Schwelgen wir in Selbstzufriedenheit, besteht das Risiko, strukturelle Reformen aufzuschieben»
Remo Lobsiger, Leiter Bereich Geschäftskunden

Weshalb?

In der Schweiz geniessen wir einen breit verteilten Wohlstand. Dem gilt es Sorge zu tragen. Schwelgen wir allerdings in Selbstzufriedenheit, besteht das Risiko, strukturelle Reformen aufzuschieben, da der Handlungsdruck weniger spürbar ist. Es ist wichtig, dass wir als kleines Land tragfähige und zukunftsgerichtete Lösungen mit unseren Handelspartnern finden und diese weiterentwickeln. Die Unternehmen brauchen langfristige und planbare Rahmenbedingungen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Schweiz zu erhalten.

Für die binnenmarktorientierten Unternehmen dürften die Umstände wesentlich günstiger sein: Die Inflation ist unter Kontrolle und Reallohnerhöhungen stehen im Raum. Welche Entwicklungen erwarten Sie?

Der private Konsum stützt tatsächlich. Und es deutet nichts darauf hin, dass sich dies in nächster Zeit ändern könnte, auch dank der sich abzeichnenden Reallohnerhöhungen. Entscheidender aber ist die Arbeitsplatzsicherheit. Wenn die Arbeitnehmenden das Gefühl haben, ihre Stelle sei unsicher, könnten sie vorsichtiger konsumieren. Unsere Umfrageresultate zeigen aber, dass die Unternehmen ihren Personalbestand stabil halten wollen. Das ist ein positives Zeichen.

Das Fokusthema der diesjährigen Firmenkundenumfrage ist die Berufsbildung. Welchen Stellenwert hat die Berufsbildung bei der TKB?

Die Berufsbildung ist zentral. Mit aktuell rund 50 Lernenden und Praktikanten zählt die TKB zu den grössten Ausbildungsbetrieben im Kanton. Unsere Auszubildenden sind die Fachkräfte der Zukunft. Auch weil es angesichts des demografischen Wandels schlicht weniger Arbeitskräfte gibt, tun wir gut daran, unsere Mitarbeitenden selbst auszubilden und auch im weiteren Berufsleben zu entwickeln. Wir fördern darum Weiterbildungen auf allen Stufen. Das ist wichtig, damit wir unser Angebot entsprechend den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden weiterentwickeln können.

Die Thurgauer Kantonalbank führt jährlich eine Firmenkundenumfrage durch. Abonnieren Sie den Newsletter "Wirtschaft Thurgau" und Sie erhalten mehrmals jährlich Informationen zur Thurgauer Wirtschaft, Konjunktur und zur TKB-Firmenkundenumfrage.
 

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