Remo Lobsiger, allen Herausforderungen zum Trotz: fast 90 Prozent der Thurgauer Unternehmen bewerten ihr Geschäftsjahr als gut oder befriedigend. Ist diese Beurteilung zu optimistisch oder sind die Firmen tatsächlich so widerstandsfähig?
Diese Einschätzung ist sehr erfreulich. Viele Thurgauer Unternehmen haben in den vergangenen Jahren wiederholt ihre Widerstandsfähigkeit bewiesen. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass es insbesondere in der Binnenwirtschaft gut läuft. Allerdings dürfen diese guten Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele exportorientierte Industriebetriebe derzeit mit einer deutlich schwächeren Nachfrage aus dem Ausland konfrontiert sind. Das könnte mittelfristig auch die inländische Wirtschaft beeinflussen.
Als Leiter des Bereichs Geschäftskunden der TKB sind Sie am Puls der Thurgauer Wirtschaft. Sie erleben unmittelbar, wie Unternehmen turbulente Zeiten meistern. Welche Erkenntnisse können Sie für sich persönlich aus diesen Erfahrungen ziehen?
Solide Geschäftsmodelle, Substanz und Liquidität sind entscheidend – es sind alte Tugenden, die sich auch heute noch bewähren. Unternehmen müssen vorausschauend und risikobewusst agieren. Ich vergleiche es mit dem Fliegen: Der Pilot geht vor jedem Flug eine Checkliste durch, bereitet sich gedanklich auf Turbulenzen vor und muss einen vollen Tank und die richtigen Instrumente an Bord haben. Auch Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen bestimmte Voraussetzungen, um risikobereit und handlungsfähig zu sein. Und letztlich braucht es aber auch einen gewissen Mut und Optimismus.
Inwiefern?
Mich beeindruckt das Thurgauer Unternehmertum immer wieder. Allen Problemen und Herausforderungen zum Trotz finden die Unternehmen immer wieder Lösungen. Und sie können Probleme auch als Chance sehen.
Trotz verlangsamtem Umsatzwachstum und geschrumpften Gewinnen blicken einige Branchen positiv auf das Geschäftsjahr zurück – so beispielsweise das Baugewerbe und die Dienstleistungsbranche. Wie erklären Sie diesen scheinbaren Widerspruch?
Dafür gibt es drei Gründe. Erstens hat sich die Preisdynamik für Rohstoffe wie Holz, Beton oder Metall deutlich abgeschwächt. Zum Teil sind die Materialpreise nach einer deutlichen Erhöhung wieder stark zurückgekommen. Zweitens hat die Thurgauer Wirtschaft zwei sehr starke Jahre hinter sich. Nun erleben wir eine Phase der Normalisierung. Aber selbst etwas tiefere Gewinn- und Umsatzniveaus stellen noch immer sehr starke Resultate dar.
Und drittens?
Um es pointiert zu sagen: Die Schweiz ist derzeit eine Art Insel der Glückseligen. Im Ausland sind die Zinsen und die Inflation viel stärker gestiegen, es gibt wirtschaftliche und politische Unsicherheiten. Im Vergleich dazu meistert die Schweiz ihre vielfältigen Herausforderungen sehr gut.
Weit mehr als die Hälfte der Thurgauer Unternehmerinnen und Unternehmer hinterfragt das Geschäftsmodell dennoch intensiver als früher. Was zeichnet ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell Ihrer Meinung nach aus?
Ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell erfordert ein tiefes Verständnis des eigenen Geschäfts und seiner Treiber. Es muss konsistent und gleichzeitig anpassungsfähig sein, um langfristig Bestand zu haben. Angesichts der schnellen Veränderungen, etwa durch die Digitalisierung und neue Technologien, erstaunt es nicht, dass Unternehmen ihr Geschäftsmodell derzeit intensiver überdenken. Letztlich ist dies ein positives Zeichen für die Thurgauer Wirtschaft: Die Weichen für die Zukunft werden gestellt.
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